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Kleine (Stahl-)Felgenkunde (DAF/Volvo 44/55/66)

Derletzt beschloss ich, einen zusätzlichen Bremstrommelabzieher anzufertigen. Und da hierfür ein Mittelteil einer Schrottfelge eine gute Basis ist, beschloss ich außerdem, meinen Felgenvorrat auszumisten (war schon seit Jahrzehnten angedacht, aber nun hatte ich endlich einen guten Anlass).

Höhen- und Seitenschlag kontrollieren

Vor jeder Wiederverwendung einer Felge sollte der Schlag zumindest grob geprüft werden, z.B. indem man die Felge auf einen "Felgenprüfstand" schraubt und rotieren lässt. Bei mir bestand dieser Prüfstand einfach aus einer Hinterachsschwinge, die ihrerseits in einem Schraubstock eingespannt war:

Der Schlag wird auf der Felgenschulter und an der seitlichen Anliegefläche des Reifens am Felgenhorn gemessen, idealerweise mit einem Fühlhebelmessgerät, aber grobe Schläge erkennt man bei rotierender Felge auch mit dem bloßen Auge.
Der zulässige Höhen- und Seitenschlag beträgt jeweils 1,5 mm. Eine Skizze im Service Bulletin E.7-007 vom August 1968 verdeutlicht die Zusammenhänge.

Das Felgenhorn kann bei Bedarf ausgebeult werden, indem man es mit der Flamme erhitzt und vorsichtig zurechtdengelt.
Falls jedoch die Felgenschulter einen erheblichen Höhenschlag aufweist, würde ich die Felge bestenfalls noch für die Anfertigung von Hilfswerkzeugen verwenden (z.B. Festhalter für die hintere Radnabe oder Bremstrommelabzieher).

 

Standardfelge DAF 44/55: Prins 891214 (4Bx14)

Diese Felge wurde bei allen DAF 55 mit Ausnahme der 5505/06 Marathon und bei allen DAF 44 bis zum Produktionsstart der DAF 66 verbaut:

Das ursprüngliche Tiefbettprofil sah wie folgt aus:

Im Zuge der Einführung des DAF 66 wurde das Tiefbettprofil - vermutlich aus Gründen der Gleichteileverwendung - im Jahre 1972 geändert und entsprach dann den Nachfolgefelgen 165700. Allerdings wurden die Felgen 891214 noch eine Zeitlang weiterproduziert: Meine jüngste trägt die Stempelung 12/73.

Anmerkung: Die Kennbuchstaben B und J geben gemäß den Internet-Experten die Form des Felgenhorns an. Dies streng nach dem Motto: Ahnung hat keiner, aber jeder schreibt vom anderen ab.
Tatsächlich beschreiben diese Kennbuchstaben den Großteil des Tiefbettprofils alias "Mauls" der so gekennzeichneten Felgen. Bei B und J ist der Unterschied jedoch sehr gering bzw. gar nicht normativ festgelegt, sodass es mit bloßem Auge schwierig ist, eine Felge auf Anhieb einem dieser Profile zuzuordnen.
Der größte sichtbare Unterschied besteht aber tatsächlich beim Felgenhorn: Das J-Horn steigt wesentlich höher über die Felgenschulter hinaus als das B-Horn. Beim Horn J sollen es laut den deutschen Normen 16,9 ... 18,5 mm, beim Horn B lediglich 13,6 ... 15,2 mm sein. Nun konnte ein niederländischer Felgenproduzent zur damaligen Zeit natürlich auf deutsche Normen pfeifen, aber grundsätzlich ging der Trend in dieselbe Richtung.

Vorserienfelge 891214 (4Bx14) von Fergat

Wie allgemein bekannt, bezog DAF alle Stahlfelgen von Prins im friesischen Dokkum.
Meine älteste Felge stammt jedoch von Fergat, was zur damaligen Zeit ein renommierter und allseits bekannter italienischer Felgenhersteller war. Allerdings wurde er 1990 von Magnetto Wheels (MW) übernommen und das letzte Werk in Rivoli allem Anschein nach im Jahre 2013 geschlossen.
Das eingeschlagene Herstelldatum 4/66 lässt darauf schließen, dass DAF zu Versuchszwecken bei Fergat eine Kleinserie bestellte. Letztlich bekam dann aber doch Prins den Zuschlag für die Serienproduktion.
Teilenummer, Tiefbettprofil und äußeres Erscheinungsbild entsprechen bis auf den von der Radkappe abgedeckten Bereich den Felgen von Prins.

 

Standardfelge DAF 66-1100 und DAF 44 ab Ende 1972: 165700 (4Bx14)

In den Ersatzteilhandbüchern findet sich als Nummer für diese Felge nur die 100345. Ich vermute, dass es sich um exakt dieselbe Felge handelt, dass dies aber die Nummer der Felge samt den drei Befestigungsbolzen für die kleinen schwarzen Radkappen ist.

Standardfelge Volvo 66 DL: 260588 (400Bx14)

Diese Felge unterscheidet sich optisch nicht vom Vorgängermodell, trägt jedoch die prestigeträchtige Stempelung "tubeless".
Die ersten Exemplare davon wurden wahrscheinlich noch unter dem Namen "DAF 66" ausgeliefert (meine älteste stammt von 8/75, die jüngste von 4/80).

 

Schlauch oder schlauchlos?

Nur die letzten Prins-Felgen mit der Teilenummer 260588 tragen die Kennzeichnung "tubeless". Allerdings vermochte ich bisher keinen baulichen Unterschied zu den Vorgängerfelgen 165700 zu erkennen. Eventuell sind sie nur mit genaueren Toleranzen gefertigt worden, worauf die 400Bx14 anstelle der 4Bx14 hinweisen könnte (ist mir aber leider nicht bekannt).
Abgesehen davon bin ich alle Stahlfelgen jahrzehntelang auch ohne Schlauch gefahren und habe nur in Ausnahmefällen Schläuche montiert.

Nachteil vom Schlauchbetrieb

Das Schlauchventil dichtet das Ventilloch nicht hermetisch ab, sodass (Salz-)Wasser eindringen kann. Bei Felgen, die jahrzehntelang im Alltag mit Schlauch gefahren wurden, findet sich deshalb oft starker Rost um das Ventilloch herum.

Der schlimmste Fall, der mir vor Augen gekommen ist, war eine Felge, bei der auf einer Länge von 5 cm das Metall weggerostet war und der Schlauch herausquoll. Glücklicherweise habe ich das damals rechtzeitig bemerkt ...

Der Lochdurchmesser beträgt bei neuwertigen Felgen ungefähr 11 mm (gemäß DIN 7824 von 1979: 11,3 ... 11,7 mm).

 

Felgen für DAF 55/66 Marathon bzw. Volvo 66 GL

Mit diesen Felgen kenne ich mich weniger aus, da ich nie einen 1300 besaß. Die wenigen Felgen, die dennoch in meinen Besitz gelangt sind, sehen alle wie das hier oberhalb gezeigte Exemplar aus (nur die länglichen Vertiefungen müssten eigentlich schwarz lackiert sein...) und weisen ansonsten die im Folgenden genannten Eigenschaften auf.

Standardfelge DAF 55 Marathon: 258548 (4½ JJx13)

Diese Felgen werden in der "Freigabe-Übersicht Reifen & Felgen" nur für den DAF 55 gelistet und besitzen eine Einpresstiefe von 35 mm. In den Ersatzteilhandbüchern des DAF 55 für die 5505/06 findet sich lediglich die Nummer 258668. Ich gehe davon aus, dass genau wie bei der Felge 165700 die Nummer im Handbuch auch die drei Befestigungsbolzen für die kleinen schwarzen Radkappen umfasst.

Standardfelge DAF 66 Marathon: 105676 (4½ JJx13)

Diese Felgen werden in der "Freigabe-Übersicht Reifen & Felgen" für die DAF 55 und 66 gelistet und besitzen eine Einpresstiefe von 40 mm.

Standardfelge Volvo 66 GL: 290831 (4½ JJx13)

Während die Standardfelge des Volvo 66 DL (260588) bereits 8/75 die Stempelung "tubeless" aufwies, weisen meine ältesten Felgen mit der Nummer 290831 aus demselben Produktionsmonat dieses Gütesiegel noch nicht auf. Bei einer wurde das "tubeless" sogar nachträglich im Werk durchgestrichen, was allerdings erst nach Abschleifen der rostigen Lackschicht lesbar wurde:

Vermutlich waren diese Felgen von Anfang an für den schlauchlosen Betrieb vorgesehen, aber aus irgendeinem Grunde erfüllten die ersten Exemplare noch nicht alle Anforderungen (worin die auch bestanden haben mögen, denn bereits die Vorgängerfelgen habe ich fast ausnahmslos schlauchlos gefahren.)
Alle später produzierten Felgen weisen allerdings die Schlauchlos-Stempelung auf.

 

Bau eines Bremstrommelabziehers

Bei regelmäßig gewarteten Fahrzeugen ist ein spezieller Bremstrommelabzieher sicherlich entbehrlich. Bei verwahrlosten Feld-und-Wiesen-Fahrzeugen schaut dies jedoch schnell einmal anders aus. Und spätestens wenn die Bremstrommelnabe auf der Steckachse verklebt wurde, hat man ohne Abzieher exakt keine Chance mehr.

Dieser Bremstrommelabzieher ist dem Original von DAF mit der Teilenummer 535017 nachempfunden:

Der Teilenummer nach zu schließen ist dieses Werkzeug sehr alt. Der seitliche Rohrstummel zum Einstecken einer Stange als Verdrehsicherung ist meines Wissens jedoch erst 1975 zum ersten Mal auf Abbildungen zu sehen:

 

Beim Anfertigen dieses Bremstrommelabziehers bin ich wie folgt vorgegangen.

  1. Auf das Mittelteil einer Schrottfelge stabile Blechwinkel aufgeschweißt (zu diesem Zeitpunkt noch ohne Bohrungen). Der Innenradius richtet sich nach der Hülse aus Punkt 5, hier also 89 mm:


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  3. Abziehspindel: eine Schraube MF20x1,5 x 100 der Güte 10.9. Diese auf der Drehbank an ihrer Spitze zentrisch eingebohrt.
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  5. Spindelspitze: ein Stück vom Schaft eines alten 12er-Bohrers. Diesem Stück am Schleifbock eine stumpfe Spitze verpasst.
    Tipp: Schleift man die Spindelspitze im Austrittsbereich etwas schlanker, kann man die Bohrung außen verstemmen, sodass die Spitze nicht mehr herausfallen kann.
    Unter die Spitze kommt außerdem noch eine so genannte Putze in die Bohrung. Diese besteht lediglich aus einem kurzen, zylindrischen Stück Bohrerschaft und soll die leichte Drehbarkeit der Spitze in der Bohrung weiter verbessern.
    Alles mit reichlich MoS2-Spindelfett in die obige Bohrung einsetzen.

     
  6. Oberer Deckel: zwei aufeinandergeschweißte Einzeldeckel, um eine hohe Stabilität zu erreichen. In diesen eine zur Spindel passende Mutter der Güte 10.9 eingeschweißt.

     
  7. Die zylindrische Hülse stammt von einem Rohrstück DN80 (hat dann einen Außendurchmesser von 89 mm) und besitzt eine Länge von 4 cm. Die Hülse zwischen die Blechwinkel eingesetzt und die Blechwinkel mitsamt der Hülse durchbohrt. Markierung angebracht, welche Positionen zueinander gehören.

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  9. Deckel auf die Hülse schweißen, sodass eine Patrone entsteht.
    Anmerkung: Die Patrone ist auf dem Felgenmittelteil nicht geschweißt, sondern geschraubt, damit man das Werkzeug nach Entfernen der Patrone auch zum Festhalten der Trommel beim Lösen oder Anziehen der Zentrumsmutter verwenden kann.
    Es handelt sich somit um ein Kombiwerkzeug, das auch den hier gezeigten Festhalter abbildet.
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  11. Auf das Felgenmittelteil außen ein Rohrstück o. dgl. aufschweißen, um die Trommel beim kräftigen Anziehen der Spindel mit Hilfe einer Stange in Position halten zu können.
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  13. Lackieren, alles mit Schaftschrauben M12x40 nach DIN 931 verschrauben, die Spindel mit Spindelfett einschmieren = fertig!

     

Im praktischen Einsatz schaut das dann beispielsweise so aus:

Tipp: Wer zu faul ist, sich einen Abzieher selber zu bauen, kann sich auch mal den Kukko Universal-Radnabenabzieher 40-3 anschauen. Den gibt es häufig antiquarisch zu kaufen und wer allen Ernstes auch Autos mit mehr als drei Radbolzen pro Rad fährt, kann die Abzugshaken 40-3-1 einzeln nachkaufen (kann man auf der Scheibentraverse einfach zusätzlich einhängen). Und auch mit dem Universalabzieher Kukko 12-3 ist es mir schon gelungen, eine verklebte Bremstrommel abzuziehen.

 

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