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Steckachsenbruch in den französischen Alpen

Wir schreiben das Jahr 65 nach der Präsentation des ersten DAF-Pkw. Der weiße DAF 4422 schnurrt wie ein Uhrwerk die Serpentinen zum Col de la Bonnette hoch:

Auf 2600 m Höhe, auf einem Parkplatz zu Ehren der Maginot-Linie, geschieht jedoch das Undenkbare: Es macht "Knack" und nach kurzer Überprüfung wird klar: Steckachsenbruch!

Mit nur einem angetriebenen Hinterrad und augenscheinlichem Ölverlust des betroffenen Getriebes erschien ein weiterer Aufstieg nicht angezeigt, sodass wir umkehrten und die 125 km zum ehemaligen DAF-Händler in Briançon in Angriff nahmen - dort gibt es bekanntlich neue Steckachsen!

Das Fahren mit einer gebrochenen Steckachse gestaltet sich unproblematisch, solange es bergab oder gleichmäßig über die Ebene geht. Muss man hingegen bergauf fahren und/oder etwas stärker beschleunigen, wird die Geräuschkulisse schnell bedrohlich.
Allen Widrigkeiten zum Trotz erreichten wir mühelos unser Ziel.

 

Ausbau von Steckachse samt Radlager

Anmerkung zum Begriff 'Steckachse': Genau genommen ist dieses Bauteil keine Achse, sondern eine Welle, da sie ja ein Drehmoment überträgt. Da das Bauteil jedoch aus den Niederlanden stammt und der Niederländer in diesem Punkt weniger spitzfindig ist, hat sich als Pendant zu "steekas" in der DAF-Szene eben der Begriff 'Steckachse' durchgesetzt.

Für den Ausbau von Steckachse und Radlager muss zuerst die Bremsankerplatte entfernt werden. Anders als oft zu sehen, brauchen Sie hierfür die Bremshydraulik nicht zu öffnen. Es genügt, die Befestigung der Bremsleitung auf der Hinterachsschwinge zu lösen und schon können Sie die Bremsankerplatte mitsamt den Bremsbacken über die Axialverzahnung der Steckachse ziehen:

Der Ausbau der Steckachse und des darauf sitzenden Lagers kann danach in mannigfaltiger Weise geschehen, z.B. mit einem Schlagabzieher. Da in der oben beschriebenen Situation kein solcher verfügbar war, haben wir nach dem Entfernen der Bremsankerplatte die Bremstrommel wieder auf die Steckachse geschraubt und das gesamte Gebilde seitlich mit zwei Brecheisen gegen den Getriebeflansch herausgehebelt:

Eine viel elegantere Methode ist sicherlich die Verwendung des originalen Spezialwerkzeugs 535538, das ich aber natürlich nicht dabei hatte. Allerdings wäre das im Nachhinein betrachtet vielleicht eine gute Vorsorge gewesen, da es die Arbeit ungemein erleichtert und wirklich nicht viel Platz wegnimmt. Im Folgenden zeige ich Photos von einem entsprechenden Vorgang auf unserer heimischen Hebebühne.

Zum Ausziehen des Radlagers schiebt man das Spezialwerkzeug, das eigentlich nur eine Hülse ist, über Steckachse und Radlager, setzt die Zentrumsmutter wieder auf und zieht diese dann mit dem Schraubenschlüssel an, bis Steckachse und Radlager draußen sind:

Dieses Werkzeug kann man sich aus einem Stück Rohr und einer Scheibe leicht selbst anfertigen (Abmessungen siehe weiter unten).

Ausbau der Variomatic

Da ich in über 30 Jahren eifrigsten DAF-Fahrens noch nie einen solchen Steckachsenbruch beklagen musste, hatte ich natürlich auch kein passendes Hilfswerkzeug dabei, um den abgebrochenen Steckachsenstummel aus dem Getriebe herauszubekommen.

Daher musste ich die betroffene Variomatic ausbauen und den radseitigen Flansch auf einen Holzbalken aufstoßen, wodurch der Steckachsenstummel herausfiel. (Auf dem Foto halte ich die Variomatic fürs Aufstoßen falsch herum, aber ich habe kein anderes Foto von dieser Aktion. Außerdem bekomme ich scheinbar erste weiße Haare ...)

So sah die treulose Welle aus:

 

Hilfswerkzeug Magnetheber

Um mir den Ausbau der Variomatic beim nächsten - statistisch schon in 30 Jahren fälligen - Steckachsenbruch zu ersparen, führe ich nun auf längeren Reisen prophylaktisch ein kleines Spezialwerkzeug mit, nämlich einen Magnetheber.

Diesen kann man sich ganz einfach wie folgt bauen:

  • Eine Stahlscheibe anfertigen: Ich habe ein 4-mm-Blech mit einer Lochsäge durchbohrt und den Bohrkern verwendet. Ein dünneres Blech würde sich beim Anschweißen vermutlich verziehen.
  • Die Scheibe auf ein senkrecht abgeschnittenes, altes Rohr schweißen.
  • Einen Neodym-Magneten (Durchmesser z.B. 2 cm) mit Loctite 638 hochfest auf die Scheibe kleben (ja, er "klebt" auch durch Magnetismus an der Scheibe, aber durch diesen klebt er ja auch überall sonst ...)

Detailaufnahme mit bereits dranhängendem Stummel der Steckachse:

 

TIPP: Im Gegensatz zu den Variomatiken der DAF 44/55 kann beim DAF 33 übrigens auch ein krummgebogener Schraubendreher hilfreich sein:

... mit dem man durch die Öffnung der Öleinfüllschraube gegen den Steckachsenstummel drückt:

Für den restlichen Weg ist wieder der Magnetheber hilfreich, aber da die sekundären Variomatiken des DAF 33 typischerweise aus magnetischem Material gefertigt sind und der Magnetheber somit seitlich "anpappt", sollte zuerst ein Kunststoffrohr eingeschoben werden (z.B. ein Leerrohr für Elektroleitungen). Danach lässt sich der Magnetheber widerstandslos bis zum Steckachsenstummel vorschieben.

 

Austausch des Radlagers auf der Steckachse (DAF 33, 44, 55)

Der Ausbau der Steckachse samt Radlager wurde bereits hier oberhalb beschrieben.

Das alte Radlager ziehe ich meistens mit einem Abzieher Kukko 12-3 von der Steckachse ab. Falls das Radlager im Altmetall landet, sind natürlich auch "robustere" Methoden zulässig.

Beim Aufpressen des neuen Radlagers auf die Steckachse ist wiederum die Hülse 535538 sehr hilfreich. Da die Kraft ausschließlich über den Innenring eingebracht werden darf (niemals über die Kugeln!), legt man den Distanzring zwischen, der sich im verbauten Zustand ohnehin an dieser Position befindet:

Beim Einbau von Steckachse und Radlager in die Achstrompete kommt die Hülse dann ein weiteres Mal zum Einsatz. Hierbei darf der oben gezeigte Distanzring natürlich nicht verwendet werden, da die Kraft ausschließlich auf den Außenring des Lagers aufgebracht werden darf:

Nach dem Einschlagen des Radlagers muss gemäß Werkstättenhandbuch noch das Axialspiel der Steckachse gemessen werden. Dieses muss zwischen 0 und 0,076 mm liegen und kann durch Einlegen von dünnen Distanzscheiben in den äußeren Abschlussflansch eingestellt werden.

Nachbau der Hülse 535538

Das Rohrstück kann man z.B. von einem Rohr absägen. Im linken Foto vom originalen Werkzeug sieht man weiter innen noch die längslaufende Schweißnaht des ursprünglichen Rohrs. Im öffnungsnahen Bereich wurde der Durchmesser mit einem zerspanenden Werkzeug ein wenig auf 63 mm aufgeweitet:

Abmessungen:

  • Wandstärke des Rohrs im öffnungsnahen Bereich: 3,5 mm
    Außendurchmesser: 70 mm, Innendurchmesser: 63 mm
  • Materialstärke der Scheibe: 5 mm
    Durchmesser der Bohrung: 25,4 mm
  • Länge über alles: 80 mm

 

Nachrüsten magnetischer Ölablassschrauben

Ein paar tausend Kilometer nach dem (zumindest für mich) historischen Steckachsenbruch im Urlaub in den südfranzösischen Alpen kamen aus Richtung des Getriebes zunehmend singende Geräusche, die nach verschlissenen Zahnrädern und Lagern klangen.

Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs schaute ich umgehend nach dem Öl des vom Steckachsenbruch betroffenen Getriebes und siehe da: In der Auffangschale glänzten deutlich sichtbare Metallpartikel im Sonnenlicht!

Da stellte sich mir die Frage, warum der Hersteller in den sekundären Variomatiken nicht wie in der primären Variomatic magnetische Ablassschrauben eingebaut hat, die im Öl zirkulierende Metallpartikel einfach herausfischen?

Die Motivation des Herstellers ist jedoch klar:

  • Die Zahnräder der vorderen Variomatic können durch "Kracher" beim unsachgemäßen Umlegen des Fahrtrichtungshebels beschädigt werden.
  • Auf die hinteren Variomatiken hat der Fahrer jedoch keinen direkten Zugriff, sodass Zahnradkracher ausgeschlossen werden können.
  • Und Steckachsenbrüche sind schließlich so selten, dass die betroffenen Fahrzeuge in den meisten Fällen ohnehin ihr vorgesehenes Lebensende erreicht haben dürften.

Um nun zukünftig Getrieberessourcen zu schonen, statte ich ab sofort meine Ablassschrauben mit Neodymmagneten aus.
Hierfür genügt es, die Ablassschrauben stirnseitig auf ungefähr halbe Stabmagnetlänge anzubohren, was natürlich problemlos auch ohne Drehbank erfolgen kann:

Hiernach wird der Magnet - in meinem Fall ein Stabmagnet 4x7mm - mit Loctite 241 eingeklebt.

(Loctite 241 wurde natürlich schon vor Äonen durch Loctite 243 ersetzt, aber irgendwo in meinem Keller hat dieses Fläschlein noch überlebt.)

Nach Einbau und nachfolgendem Fahrbetrieb zeigte sich beim ersten Herausdrehen folgendes Bild:

Also da habe ich bei primären Variomatiken schon Schlimmeres gesehen. Aber es muss ja trotzdem nicht sein, dass zirkulierende Metallpartikel Schaden anrichten – zumal der Aufwand für das Einkleben von Magneten verschwindend gering ist.

 

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